Das Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte ist für die Unfallkasse NRW nicht neu. Bereits 2011 wurde zusammen mit der Ruhr- Universität Bochum eine Studie zu „Gewalt gegen Rettungskräfte – Bestandsaufnahme zur Gewalt gegen Rettungskräfte in NRW“ durchgeführt. Das damalige Ergebnis war, dass Schlagen, Schubsen oder Anspucken die häufigsten Arten von Übergriffen sind. Es konnte auch ein typischer Täterkreis von jungen, männlichen und alkoholisierten Personen identifiziert werden.
Im Jahr 2017 wurde die Studie um die Einsatzkräfte der Feuerwehr erweitert und erneut durchgeführt. Diesmal waren zusätzlich noch das Ministerium des Innern NRW, das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW und die Gewerkschaft komba beteiligt. Ziel der Studie war die Sammlung und Auswertung von Daten zur Gewalt gegen Einsatzkräfte der Feuerwehr und des Rettungsdienstes in NRW und der Vergleich der Ergebnisse mit der 2011 durchgeführten Studie „Gewalt gegen Rettungskräfte“.
Die Ergebnisse waren mit denen von 2011 vergleichbar. Allerdings sind die Feuerwehren deutlich weniger betroffen als der Rettungsdienst. Die beteiligten Institutionen waren sich einig, dass Feuerwehrangehörige und Rettungskräfte besser vor Gewalt geschützt werden sollen.
Aktionsplan "Gemeinsam gegen Gewalt - Aktionsbündnis zum Schutz von Feuerwehr- und Rettungskräften"
Aus diesem Grund wurde der Aktionsplan „Gemeinsam gegen Gewalt – Aktionsbündnis zum Schutz von Feuerwehr- und Rettungskräften“ mit einer Laufzeit von September 2019 bis September 2022 ins Leben gerufen. An dem Aktionsplan sind neben der Unfallkasse NRW auch das Ministerium des Innern des Landes NRW, das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, die komba-Gewerkschaft, der Verband der Feuerwehren in NRW, der Städtetag NRW, der Landkreistag NRW und der Städte- und Gemeindebund NRW beteiligt.
Aus den Ergebnissen der zweiten Studie wurden folgende fünf Handlungsfelder erarbeitet:
- Aus- und Fortbildung,
- Einsatz/Einsatzteam,
- Schnittstellenarbeit,
- Arbeitgeber
- Politik, Gesetzgeber, Ressorts
Diese Handlungsfelder enthalten Vorschläge und Arbeitsauträge zu konkreten Maßnahmen. Nach drei Jahren sollen diese umgesetzt sein.
Die Unfallkasse NRW macht sich in diesem Zusammenhang gemeinsam mit den Betrieben für den präventiven Schutz stark. Mit Checklisten werden die Gefährdungsbeurteilungen auch auf die Bestandteile zum Themenkomplex Gewalt überprüft. In den Jahren 2019 und 2020 wurden in einer Schwerpunktüberwachungsaktion über 200 Fragebögen ausgefüllt.
Ergebnisse der Befragung - Stand der Gewaltprävention
Eine deutliche Mehrheit der befragten Feuerwehren weist die Angehörigen der Einsatzabteilung vor Aufnahme des Dienstes darauf hin, dass es zu Übergriffen kommen kann. Dadurch wird eine erhöhte Sensibilität für das Thema „Gewalt“ in seinen verschiedenen Ausprägungen geschaffen. Gesetzlich geforderte Unterweisungen hingegen führen nur ca. ¾ der Feuerwehren durch. Hier ist Verbesserungspotenzial zu erkennen. Zudem werden nicht alle Unterweisungen dokumentiert.
Erfreulich ist hingegen, dass vor Aufnahme der Tätigkeit zum Verhalten nach einem Übergriff unterweisen wird. Jedoch gibt es auch hier Verbesserungspotenzial in Bezug auf die Dokumentation. Zum einen werden gesetzliche Vorgaben nicht erfüllt, und zum anderen haben Unterweisungen und Dokumentationen das klare Ziel, Übergriffe zu verhindern. Bereits im Vorfeld erfolgt somit eine Auseinandersetzung mit dem Thema „Übergriffe“, und auch im Hinblick auf eine mögliche Nachsorge ist eine abgestimmte Vorgehensweise bekannt.
97 Prozent der Feuerwehren erfassen Übergriffe, und 94 Prozent der betroffenen Feuerwehrangehörigen ist der betriebsinterne Meldeweg nach einem Übergriff bekannt. In den meisten Fällen wird zudem durch den Dienstherrn eine Strafanzeige gestellt, die es den Strafverfolgungsbehörden erst ermöglicht, Straftäter konsequent zu verfolgen und zu bestrafen. Hier wäre eine Quote von 100 Prozent wünschenswert. Nach der vorliegenden Auswertung stellen immerhin 87 Prozent der Arbeitgeber eine Strafanzeige.
Sehr erfreulich ist, dass die große Mehrheit der befragten Feuerwehren Zugang zu Teams zur psychosozialen Unterstützung (PSU-Team) hat, um das Entstehen einer möglichen Traumatisierung nach einem Übergriff minimieren zu können. Auch hier ist eine 100-Prozent-Abdeckung anzustreben.
Verbesserungen können auch durch den Austausch mit anderen Behörden erreicht werden. Hier fehlt es bei gut 40 Prozent der befragten Wehren an einer standardisierten Kommunikation zwischen Leitstelle und Einsatzkräften. Beispielsweise kann durch Nutzung von Stichwortvereinbarungen sofort erkannt werden, dass Feuerwehrangehörige sich in einer Notsituation befinden und entsprechende Maßnahmen einzuleiten sind. Dies betrifft auch Regelungen zu einem geordneten Rückzug, um Polizeieinheiten ein taktisches Vorgehen zu ermöglichen. Dazu wären auch im Vorfeld Vereinbarungen bei bestimmten Einsatzlagen mit der Polizei denkbar.
Fortbildungen zu Kommunikations- und Deeskalationstech- niken werden von gut 2/3 der Befragten bereits durchgeführt. Hier bestehen insbesondere Defizite bei nahezu der Hälfte der Feuerwehren bezüglich der Fortbildung zum Umgang mit Personen, die z. B. alkoholisiert sind oder unter Drogeneinfluss stehen. Hierzu zählt auch die rechtliche Aufklärung zum Thema Notwehr, die in etwa 50 Prozent der Feuerwehren vermittelt wird.
Fortbildungen mit Blick auf zusätzliche Anforderungen von Personengruppen mit religiösen oder migrationsspezifischen Besonderheiten sind zu empfehlen und in Gesprächen während der Befragungen teilweise auch gewünscht worden.
Deutlich auffallend ist, dass Schutzwesten auch getragen werden, wenn sie vorhanden sind. Diese sind allerdings nur bei rund 10 Prozent der Feuerwehren der Fall.
Die Meldewege zur Unfallkasse NRW sind in der Regel bekannt. Mehr Aufklärung zum Angebot der Unfallkasse NRW in Bezug auf probatorische Sitzungen nach belastenden Ereignissen unabhängig von bereits eingeschalteten PSU-Teams ist jedoch notwendig, da nur gut die Hälfte dieses Angebot auch kennt.
Die abschließende Frage in Bezug auf die tatsächlich im letzten Jahr erfolgten Übergriffe auf Einsatzkräfte ist mit 69 Prozent sehr hoch. Das korreliert nicht mit den Unfallmeldungen, die der Unfallkasse NRW vorliegen. Das kann zum einen an den immer noch zu geringen Unfallmeldungen liegen oder daran, dass viele Übergriffe, die verbal verübt werden, nicht gemeldet, aber in der Befragung als solche eingestuft wurden.
Die Befragung hat an verschiedenen Stellen deutlich Verbesserungspotenziale aufgezeigt. Diese liegen größtenteils in Händen der Arbeitgeber. Die Unfallkasse NRW übernimmt in diesem Zusammenhang auch gerne eine unterstützende Funktion.
Hinweis:
Der vorstehende Text wurde aus dem Magazin "FEUERWEHReinsatz:nrw 3/2022 " entnommen.